Leave the Oil in the Soil: Referendum gegen Ölförderung im ecuadorianischen Regenwald

Am 20. August 2023 ist die ecuadorianische Bevölkerung zu einem für die Welt historischen Referendum aufgerufen: Sie wird darüber entscheiden, ob die Erdölförderung in das Herz des Amazonas-Regenwaldes von Ecuador ausgedehnt oder dort für immer verboten werden soll. Im Yasuní-Nationalpark, der fraglichen Region, leben auf einem einzigen Hektar mehr Arten als auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent.[1]

Das Referendum ist das erfolgreiche Ergebnis eines langjährigen politischen und rechtlichen Kampfes der städtischen Jugendbewegung YASunidos gegen den ecuadorianischen Staat. Erst am 9. Mai 2023 entschied das ecuadorianische Verfassungsgericht in letzter Instanz, dass dem Referendum stattgegeben werden muss.[2] Am 22. Mai bestimmte die Wahlbehörde, dass das Referendum zeitgleich mit den vorgezogenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 20. August 2023 durchgeführt werden soll. Das lässt nur drei Monate Zeit für eine entsprechende Kampagne.[3]

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Öleinnahmen aus dem Yasuní – eine Rechnung gegen unsere Lebensgrundlagen

Die ecuadorianische Regierung und ihr nahestehende Ökonom*innen beziffern die zu erwartenden Einnahmen aus dem Öl des Yasuní mit 1,2 Milliarden US-Dollar jährlich. Sie argumentieren, dass bei einem Ausfall dieser Einnahmen schwerwiegende Sozialkürzungen vorgenommen werden müssten, beispielsweise im Programm gegen Unterernährung von Kindern.[4] In Talkshows wird argumentiert, das Land wäre bankrott, wenn die Bevölkerung gegen die Ölförderung im Yasuní stimmt.

Unabhängige Ökonom*innen weisen jedoch darauf hin, dass

  1. Diese Rechnung die sehr hohen Förderkosten des Öls nicht miteinbezieht.
  2. Das Öl im Yasuní von sehr schlechter Qualität ist und so dickflüssig, dass es mit hochwertigem Öl vermischt und erhitzt werden muss, um überhaupt über Pipelines zum Hafen transportiert werden zu können.
  3. Die Reserven geringer sind als ursprünglich vermutet. Es ist sogar davon auszugehen, dass das Öl im Yasuní bis spätestens 2040 ganz versiegt – die zu erwartenden Staatseinnahmen also von Jahr zu Jahr erheblich schrumpfen würden.
  4. Diese real zu erwartenden Einnahmen mit lediglich 275 Millionen USD jährlich zu beziffern sind, was weniger als 1% des Staatshaushalts entspricht.
  5. Die enormen Kosten der Naturzerstörung ebenfalls in Betracht gezogen werden müssen.[5]

In Ecuador finden im Schnitt jede Woche zwei Ölunfälle statt.[6] Die letzten großen Katastrophen ereigneten sich im Mai 2020 und im Januar 2022. Aus den gebrochenen Pipelines liefen mehrere 10.000 Barrel Rohöl in den Rio Coca, einen Zufluss des Amazonas und verseuchten weite Gebiete.[7]

2007 hatte Ecuador international mit einem einzigarten Vorschlag Schlagzeilen gemacht. Die Regierung unter dem damaligen Präsidenten Rafael Correa bot an, geschätzte 846 Millionen Barrel Erdöl unter dem Yasuní-ITT Gebiet im Boden zu belassen, wenn die internationale Gemeinschaft die Hälfte der aus dem Export dieses Öls erwarteten Einnahmen, 3,6 Milliarden US-Dollar, über einen UN-Treuhandfonds kompensiere. Dadurch wäre der Ausstoß von 400 Millionen Tonnen Kohlendioxid verhindert worden. Als die Initiative im August 2013, sechs Jahre nach ihrem Start, abgebrochen wurde, waren nur 13 Millionen Dollar zusammengekommen, 0,37 Prozent der erwarteten Summe.[8]

Deutschlands Position

Der Deutsche Bundestag hatte im Juni 2008 parteiübergreifend beschlossen, dass diese Initiative zum Schutz des Nationalparks Yasuní unterstützt werden solle.[9]

Entsprechende Zusagen der Bundesregierung zur Kompensation wurden jedoch später von FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel rückgängig gemacht.[10]

Das Referendum am 20. August 2023 ist ein Meilenstein im demokratischen Kampf gegen die Macht transnationaler Ölkonzerne und gegen die Klimakrise. Sollte es gewonnen werden, setzt Ecuador ein weltweites Zeichen für effektive Maßnahmen gegen CO2-Emissionen und für den dringend gebotenen Schutz der Biodiversität.

Klimagerechtigkeit jetzt! So könnt ihr unterstützen:

Im Sinne der Klimagerechtigkeit verdient das kleine Land am Äquator hierfür die ganz praktische, politische und materielle Solidarität der Gesellschaften im globalen Norden, die für den Löwenanteil der Emissionen verantwortlich sind. Attac Deutschland hat hier ein Spendenkonto eingerichtet, um die Kampagne von YASunidos u.a. für das Referendum vor Ort zu unterstützen.  Doch ist auch über den 20. August hinaus die Weltgemeinschaft mit verantwortlich dafür, was im Amazonasbecken geschieht.


[1]            https://www.dicyt.com/viewNews.php?newsId=16372

[2]            https://www.elcomercio.com/actualidad/politica/corte-constitucional-yasuni-consulta-popular.html

[3]            https://www.vistazo.com/politica/nacional/cne-unifica-las-elecciones-anticipadas-y-la-consulta-popular-del-yasuni-IX5198864

[4]            https://www.elcomercio.com/actualidad/politica/reducir-gastos-eliminar-subsidios-opciones-lasso-consulta-yasuni.html

[5]            Offener internationaler Brief von 150 Ökonom*innen: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSfJ2EO7g7rQ-OHlRuuTSDSICS64lzG5qsBcCDSHlkSPU5epLw/viewform. Siehe auch den Amicus Curiae von Prof. Dr. Carlos Larrea in der Anhörung des ecuadorianischen Verfassungsgerichts im April 2022.

[6]          https://www.planv.com.ec/two-oil-spills-occur-every-week-ecuador

[7]          https://www.dw.com/es/ecuador-ordena-acciones-urgentes-tras-derrame-de-crudo/a-60600505

[8]          https://elpais.com/america-futura/2023-05-27/la-larga-lucha-por-salvar-al-yasuni-de-la-explotacion-petrolera.html

[9]          Drucksache 16/9758, Datum 25.06.2008

[10]        https://taz.de/Yasuni-Regenwald-in-Ecuador/!5135594/

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